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PROJEKTÜBERSICHT

10EUB Kieserl

Großarl

Neustart am Kieserl

100 Jahre nach dem ersten Schwung und 50 Jahre nach der letzten Abfahrt sollte das 1.954 Meter hohe Kieserl mit der Roslehenalm endlich wieder Skigebiet werden. Der Gipfel im Großarltaler Bergland wurde schon in der Frühzeit des Alpinsports genutzt. Mit einem Großprojekt haben die Großarler Bergbahnen den historischen Skiraum wieder erschlossen und eine attraktive Verbindung nach Dorfgastein geschaffen.

Salzmann Ingenieure begleitete die seilbahntechnische Planung seit 2015 und setzte nach der finalen Entscheidung in rund eineinhalb Jahren eine der modernsten Seilbahnen Österreichs um. Dabei wurden neben einem Graben auch organisatorische Hürden überwunden. So wuchs das Projekt während des Baus um ein autonomes Seilbahnsystem an.

Ausgangslage

Ganz viel Sonne, ausgewiesene Pistenflächen und die Chance zur Verbesserung der Skischaukel: Das Kieserl hat großes Potenzial – und das ist im Wintertourismus heute rar. Der Gipfel ist die Grenze zwischen den Salzburger Gemeinden Großarl und Dorfgastein. Auf beiden Seiten des Bergkamms erstrecken sich im Winter verschneite Pisten und im Sommer bewirtschaftete Almen. Über die Sessel- und Kabinenbahnen Kreuzkogel und Fulseck sind die Skigebiete schon länger verbunden. So richtig gut gelang der Wechsel aber nie. Mit dem Kieserl und dem darunter liegenden Bergland der Roslehenalm gab es zum Glück ein ungenutztes Juwel – und das sollte bis zur Perfektion geschliffen werden.

Salzmann Ingenieure kam 2015 als Bestbieter bei der Seilbahnplanung ins Spiel und lotete im Laufe der Jahre zahlreiche Varianten aus. Dabei analysierte das Team den Sonnenstand, prognostizierte Bewegungsströme der Gäste und prüfte Trassen. Die 2006 errichtete 8er-Kabinenbahn Hochbrand war von Beginn an Teil der Überlegungen. Sie führte vom Ortsteil Unterberg bis leicht über die Zwischenstation der Panoramabahn. Das Problem: Die zwar kurze, aber steile Piste hinab zur 6er-Sesselbahn erwies sich für viele Skigäste als zu schwierig. Sie entschieden sich daher oft gegen die Bahn und fuhren gleich mit der Panoramabahn bis ganz nach oben. So ungünstig die Lage der Bergstation, so unbequem der Einstieg im Tal mit langen Wegen vom Parkplatz zur Kabine. Die neue Kieserlbahn bot neben einem Qualitäts- und Kapazitätssprung die einmalige Gelegenheit, diese Probleme zu beheben.

Statt eines Neubaus auf der bestehenden Trasse und einer zweiten Sektion hoch aufs Kieserl konzipierte Salzmann Ingenieure für den komfortablen Ein- und Umstieg eine topmoderne 10er-Kabinen-Einseilumlaufbahn mit zwei Sektionen. Das Team plante und projektierte die Seilbahntechnik und deren Bedarf im Gebäude, wickelte Genehmigungen ab und integrierte in einem Kraftakt das bedienerlose Seilbahnsystem AURO nachträglich ins Projekt. Nach dem Baustart im Sommer 2022 ging es schnell: Am 22. Dezember 2023 trug die Bahn die ersten Gäste bis aufs Kieserl hoch und manche direkt weiter in die Sky-Lounge „Wolke 7“.

Wiedererschließung des Ur-Skigebiets

„So ein Fall ist eher selten. Meistens ersetzen wir in die Jahre gekommene Anlagen durch neue, adaptieren oder erweitern den Bestand. Mit der Kieserlbahn durften wir einen 50 Jahre lang ungenutzten Skiraum neu erschließen – und das mit allen technologischen Finessen“, berichtet Stephan Salzmann, Geschäftsführer von Salzmann Ingenieure. Während neue Flächen nur im Ausnahmefall und mit einer langen Liste an Auflagen genehmigt werden, erlaubt das historisch verbürgte Skigebiet eine schnelle und effiziente Umsetzung. So gelang der Pistenbau vom Kieserl über die Roslehenalm bis hinab zur Zwischenstation beinahe ohne Eingriff in die Natur. Ausgleichsmaßnahmen wie Biotope, Trockensteinmauern und der Schutz von Wald- und Almflächen waren lediglich bei den Stationsgebäuden erforderlich.

Dass dennoch fast zehn Jahre von der Planung bis zur Jungfernfahrt vergingen, lag an der Dimension des Vorhabens. Vor dem Spatenstich mussten alle denkbaren Optionen auf Herz und Nieren geprüft und abgewogen werden. „Wir haben etwa fünf verschiedene Varianten erarbeitet und die jeweilige Machbarkeit mit den Behörden abgestimmt“, erzählt Simon Stöckler, Projektleiter bei Salzmann Ingenieure. „Die Kieserlbahn ist ein Generationenprojekt. So groß wie die Investition ist auch die Verantwortung. Mit der neuen Bahn wollten wir die fantastische Entwicklung von Großarl mit seinen vielen hochklassigen Hotels, Restaurants und Pensionen widerspiegeln und unser Ski- und Wandergebiet langfristig und nachhaltig auf die nächste Stufe heben“, betont Peter Hettegger, Hotelier und Geschäftsführer der Großarler Bergbahnen.

Das Warten hat sich gelohnt: Seit Dezember 2023 pendeln bis zu 1.900 Personen pro Stunde mit der Kieserlbahn in nur 15 Minuten hoch auf die Skischaukel Großarl-Dorfgastein mit 70 Pistenkilometern und 17 Liftanlagen. „Wir sind richtig stolz. Die Bahn spielt wirklich alle Stückerl und läuft das ganze Jahr von morgens bis spätabends. Das kommt bei den Gästen und den Einheimischen gut an“, freut sich Hettegger. Der Fokus mag auf dem Wintersport liegen, doch auch der Sommertourismus wächst im almenreichen Großarltal. Bei der Seilbahnplanung galt es für Salzmann Ingenieure, den Ganzjahresbetrieb mitzudenken. Geräumig, barrierefrei und wartungsarm soll es im Winter wie im Sommer sein.

Bequem und autonom: Neustart mit Mehrwert

Ursprünglich war die Hochbrand-Bahn Teil des Plans – zumindest Talstation und Seilbahn. Noch 2018 sollte die Anlage in verkürzter Form weitergenutzt werden. Dagegen sprachen gute Gründe: der ungünstige Zugang und die fast 20 Jahre alte Technik. Während die einstige Bergstation heute als Gerätelager dient und die Seilbahn künftig in einem anderen Skigebiet weiterfährt, wurde die Talstation geschliffen. Der Abriss schuf Platz für kürzere Zugangswege zu den Parkplätzen, eine Tiefgarage mit 111 Stellplätzen, Büros, Sportshop, Skidepot, Dienstwohnungen und das Restaurant „Inferno“. Obendrauf schont die neue Kieserlbahn dank schallemissionsoptimiertem Performa-Seil die Ohren der Bevölkerung.

Der Neubau öffnete vor allem die Tür für das autonome Seilbahnsystem AURO (AUtonomous Ropeway Operation) von Doppelmayr und Frey Austria. Der bedienerlose Betrieb mit unbesetzter Tal- und Bergstation und einem zentralen „Ropeway Operation Center“ (ROC) in der Zwischenstation erfordert bauliche Vorkehrungen und lässt sich nicht auf älterer Technik aufbauen. Die Idee kam erst recht spät ins Spiel, erinnert sich Simon Stöckler: „Wir haben 2022 bei der Valisera Bahn im Skigebiet Silvretta Montafon ein autonomes Pionierprojekt realisiert. Als in Großarl der Wunsch nach dieser innovativen Lösung aufkam, war es eigentlich schon zu spät.“

Wo ein Wille, da ein Weg. Stationen, Fahrzeuge und Betriebsabläufe wurden während der laufenden Bauphase neu konzipiert – bei unverändertem Zeitplan. Gemeinsam mit den Gewerken setzte Salzmann Ingenieure alle Hebel in Bewegung, um das System doch noch zu integrieren und das Projekt genehmigungsrechtlich sicherzustellen. „Wir haben die Fahrgasträume, die Gebäudetechnik und den Betrieb komplett umgekrempelt. Wo kein Personal ein- bei Wind und Wetter niemand zusteigt. Da war unsere Erfahrung Gold wert“, erzählt Stöckler. Die Baubewilligung von August 2022 wurde im Mai 2023 abgeändert. Ebenfalls inbegriffen: ein Zusatzstock am Berg mit Sonnenterrasse und ein weiteres Tiefgaragen-Geschoss im Tal.

Bewegliches Gelände

Die neue Zwischenstation liegt etwa 200 Meter unterhalb der Bergstation Hochbrand und damit niveaugleich zur Zwischenstation der Panoramabahn. So gelangen die Gäste endlich problemlos von einem Ort überall hin. Freilich hat die Sache einen kleinen Haken. Rund um das neue Gebäude rutscht der Hang – an manchen Stellen um bis zu vier Meter in den nächsten 40 Jahren. Diese Prognosen ergaben geologische Messungen und aufwendige Berechnungen. Das bewegliche Gelände wirkt sich natürlich auf die Seilbahn aus. „Wir mussten die richtigen Positionen für die Stützen finden und verschiebbare Fundamente realisieren“, erklärt Stöckler. Damit die Bahn auch bei Hangbewegungen immer auf Achse bleibt, können 9 von 23 Stützen über Schienen versetzt werden.

Das Gebäude selbst steht auf festem Grund – und wird sich doch ein wenig bewegen. Stahlbetonsteher fixieren die Station an den standsichersten Punkten. Das führt zu einer kuriosen Situation: Rund um die Steher wurde für die zu erwartende Bewegung des Bauwerks eine Handbreit Platz gelassen. Die besondere geologische Situation erforderte eine weitere Rechenaufgabe – dieses Mal in Sachen Brandschutz. Knapp oberhalb der Station befinden sich die Gebäude Zapfenbar und Alpentaverne. Wo sich deren Dächer in 40 Jahren befinden und wie dann der Abstand zur Kabine ist, war Gegenstand komplexer Berechnungen und floss in die Trassenführung ein.

Über den Graben

Eine kleine Hürde galt es ganz am Ende noch zu nehmen: Der Harbachgraben durchschneidet den Weg vom Gipfel des Kieserls hinunter zur Zwischenstation. „Eine Ski-Querung in Form einer Piste war nicht genehmigungsfähig. Wir mussten den Graben anders überwinden. Ein Förderband ging sich nicht aus und darum wurde es ein Stricklift“, berichtet Simon Stöckler. Die Zusammenarbeit von Großarl und Salzmann Ingenieure geht noch weiter. Mit der Roslehenalmbahn soll in den kommenden Jahren eine neue 6er-Sesselbahn folgen.

Anlagedaten

Antrieb
Bergstation
Antrieb und Spannung
Zwischenstation
Antriebsleistung Anfahren
747 kW
Antriebsleistung Betrieb
620 kW
Anzahl Stützen
23
Bahnsystem
Einseilumlaufbahn
Fahrgeschwindigkeit
6,5 m/s
Fahrstrecke gesamt
2.410 m
Fahrzeit
7,40 Minuten
Förderleistung
AB 800 / EB 1900
Anzahl Fahrzeuge
46
Kabinenanzahl
46

Unser Skigebiet hat durch die Kieserlbahn eine neue Dimension erhalten. Durch den höchsten Komfort ist die Bahn auch bei nichtskifahrenden Gästen sehr begehrt. So kommen alle wunderbar auf unser neues Gipfelrestaurant ‚Wolke 7‘, das bereits seit der Eröffnung ein Highlight ist. Auch für den Sommerbetrieb erwarten wir uns einen großen Zuspruch mit der Wanderschaukel nach Gastein und zum Kreuzkogel.

Peter Hettegger, Geschäftsführer Großarler Bergbahnen

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