Umbau 8EUB Golmerbahn
Vandans
Modernisierung im laufenden Betrieb
Die Golmerbahn befördert seit 1995 zahlreiche Winter- und Sommergäste bis auf 1893 Meter Seehöhe ins Montafoner Ski- und Wandergebiet unterhalb des Golmer Jochs. Nach 25 Jahren wünschte sich Betreiber Golm Silvretta Lünersee Tourismus einen barrierefreien und komfortablen Einstieg in die Einseilumlaufbahn. Dazu wurden bis Dezember 2022 die alten 8er-Kabinen durch topmoderne Modelle ersetzt, Einstiegsniveaus angepasst, Aufzüge errichtet und unvorhersehbare Probleme gelöst. Die architektonisch anspruchsvolle Modernisierung gelang ohne Betriebspause in vier Zeitfenstern zwischen den Saisonen.
Ausgangslage
Der Erlebnisberg Golm im Vorarlberger Montafon zählt mit neun Liftanlagen, Waldseilpark, Flying-Fox, Alpine-Coaster und Waldrutschenpark zu den vielseitigsten Ski- und Wandergebieten des Landes. Herzstück und Hauptzubringerin in die Bergwelt des Rätikons ist die Golmerbahn. Die 8er-Kabinen-Einseilumlaufbahn folgte 1995 auf den ab 1959 betriebenen Schrägaufzug. Sie führt über drei Sektionen, 34 Stützen und knapp 4 Kilometer von der Talstation in Vandans über Zwischenstationen in Latschau und Matschwitz zur Bergstation Grüneck.
Ursprünglich beförderten 127 Kabinen bis zu 1800 Personen pro Stunde. Was beim Bau noch Stand der Technik war, ist den Gästen heute nicht mehr zumutbar. Daher suchte Betreiber Golm Silvretta Lünersee Tourismus nach 25 Einsatzjahren nach einer schwellenlosen Alternative für die alten Fahrzeuge und wurde bei der Firma Doppelmayr fündig. Erste Testläufe bestätigten die grundsätzliche Eignung der beliebten OMEGA-IV-Kabinen auf den bestehenden Klemmen mit anderen Gehängestangen. Durch die neuen Fahrzeugmodelle sollte der Einstieg künftig ebenerdig vom Bahnsteig aus erfolgen (Level-walk-in).
Die 1995 errichteten Seilbahngebäude stammen aus der Feder von Architekt Leopold Kaufmann und Künstler Karl-Heinz Ströhle. Geschuppte Glas-Fassaden und die von Station zu Station wechselnde Farbgebung der Holzdeckenkonstruktion schaffen eine lichte Atmosphäre. Bei den baulichen Adaptionen war die ästhetisch anspruchsvolle Architektur genauso zu bewahren wie bei der Errichtung von Aufzügen. Salzmann Ingenieure war für die Einreichungen, die Ausschreibung der einzelnen Gewerke, die örtliche Bauaufsicht und somit für die möglichst rasche Umrüstung verantwortlich.
Umbau unter Zeitdruck
Die Golmerbahn befördert im Winter und im Sommer täglich tausende Gäste in die Höhe. Der Ganzjahresbetrieb erlaubte daher nur zwischen den Saisonen kurze Zeitfenster für Umbauarbeiten. Um die insgesamt fünf Wochen nach Ostern und im Herbst bestmöglich zu nutzen, war eine minutiöse Planung und Koordination erforderlich. Da der ikonische Bau von Kaufmann und Ströhle sein unverwechselbares Profil behalten sollte, übernahm das renommierte Büro BHP Baumschlager Hutter Partners die architektonische Gestaltung.
Bei der Modernisierung wurden Bahnsteigniveaus, Fahrwege und Garagierungen adaptiert und in den Zwischenstationen Aufzüge errichtet. Dazu kamen eine Pistengerätegarage und ein Müllraum. Anfangs waren zwei Bauetappen angesetzt – daraus wurden aufgrund unerwarteter Mehraufwände und Lieferengpässe vier. Salzmann Ingenieure bewies Flexibilität, stimmte sich eng mit den Gewerken ab und organisierte Teilbewilligungen für Seilbahn und Garagen, Aufzüge und Müllraum. Die Baustellenbereiche wurden vorübergehend versiegelt. So gelang ein sicherer und unterbrechungsloser Publikumsbetrieb.
Sanfte Modernisierung mit starker Wirkung
Freie Fahrt für alle: Seit dem Frühjahr 2022 transportiert die Golmerbahn ihre Gäste auch mit Rollstuhl oder Kinderwagen bequem und barrierefrei von Vandans nach Grüneck. Die 110 zeitgemäßen 8er-Kabinen haben ihre etwas kleineren 127 Vorgängerinnen ersetzt und erleichtern den Passagier:innen seither dank Level-walk-in den Weg auf den Berg. Die Transformation ist trotz umfangreicher Adaptionen kaum erkennbar. „Unser Wunsch war eine möglichst sanfte und effiziente Modernisierung der Seilbahntechnik. Die sorgsame Lösung schafft durch vergleichbar einfache Mittel maximalen Komfort für alle unsere Gäste und bewahrt zudem die architektonisch-künstlerischen Charakteristik“, betont Markus Burtscher, Geschäftsführer Golm Silvretta Lünersee Tourismus.
Für den stufenlosen Einstieg wurden in allen vier Stationen die Gitterrostböden und Hubpodeste um sieben Zentimeter angehoben. Je zwei Aufzüge sorgen in den bisher nur über Treppen erschlossenen Zwischenstationen Latschau und Matschwitz für einen barrierefreien Bahnsteigzugang. Was sich einfach anhört, hatte seine Tücken. Die waren vor allem statischer Natur und teilweise unter Beton versteckt, wie Projektleiter Jörg Egger berichtet: „In Latschau mussten wir Schneisen in den Beton schneiden und vorher mittels 3D-Scan den Bestand exakt erfassen. Der Stahlbau von Matschwitz ruht auf einem System von Pfeilern und Streben. Wir mussten ganz genau überlegen, was wir wo und wie angreifen.“ Salzmann Ingenieure konnte sich dabei auf die Statik-Spezialist:innen der gbd Gruppe aus Dornbirn verlassen.
Maximale Bewegungsfreiheit
In Latschau standen neben der Niveauerhöhung Betonschneidearbeiten auf dem Programm. Damit sich die Sektionen einzeln fahren lassen, wurde eine umklappbare Wagenführung eingeplant. Die benötigt in umgelegter Position Platz und der war nicht vorhanden. „Damit sich die Kabinen bewegen können, mussten wir den Belag an manchen Stellen um einige Zentimeter senken“, berichtet Jörg Egger. Änderungsbedarf ergab sich auch bei der Garage. Dort wurde ein neues Hubpodest errichtet.
Bevor die ersten Teile aus dem Beton geschnitten werden konnten, musste die Situation sorgfältig geprüft werden. „Wir wussten nicht, wo die Kabel und Leitungen verlaufen und welche Wände tragend sind. Die alten Pläne enthielten keine exakten Informationen“, erklärt der Projektleiter. Da sich direkt unter der Einstiegsebene das Restaurant „Holzschopf“ und eine Trafostation befinden, war höchste Vorsicht geboten. Gemeinsam mit gbd wurde der Bestand per 3D-Scan erhoben und eine statische Analyse durchgeführt. Nach den Probebohrungen wurden manche Deckenelemente entfernt und neu betoniert, andere herausgeschnitten. Zusätzliche Stahlverstärkungen und Säulen sorgten für Stabilität.
Beim Bau des Aufzugs auf der Talfahrtseite wurden Teile des Betonbodens entfernt und der Notantrieb der Bahn versetzt. Dazu wurden Ölleitungen und Rohre verlängert – keine triviale Sache während des Betriebs. Der zweite Aufzug entstand als Zubau neben dem Treppenabgang. Dabei wurden die geschuppte Glasfassade und die Holzdecke nahtlos fortgeführt. Eine Imitation war ursprünglich auch bei der Fassade der neuen Pistengerätegarage auf der grünen Wiese nebenan geplant. Sie wurde jedoch aus Brand- und Lawinenschutzgründen als schmuckloser Betonkubus realisiert – Vorschrift ist Vorschrift. Die bisherige Garage im Keller des Gebäudes formte Salzmann Ingenieure mittels Zwischendecke und Lastenaufzug in Müll- und Lagerräume um.
Sicherer Komfort auf Stelzen
Besonders komplex war die Erhöhung des Bahnsteigniveaus und der Hubpodeste in der auf 1521 Meter Seehöhe gelegenen Zwischenstation Matschwitz. Denn der reine Stahlbau steht auf Stelzen. Die außergewöhnliche Konstruktion des Bauwerks machte die Anhebung um ein Vielfaches kniffliger als beim Betonboden. Für Jörg Egger und das Team von Salzmann Ingenieure stellten sich im filigranen Stangenwald vor allem statische Fragen: Wo greife ich an? Wo baue ich aus? Was sind die Auswirkungen auf die Gesamtstatik?
In enger Abstimmung mit den Expert:innen von gbd und einer engagierten Stahlbautruppe konnte das Bahnsteigplateau in wenigen Wochen um die erforderlichen sieben Zentimeter angehoben werden. Sichtbare Spuren gibt es dank der exakten Bestandsaufnahme keine. „Die neuen Stahlelemente unterscheiden sich farblich nicht vom Original“, berichtet Egger. Für den Bau der Personenaufzüge zu beiden Fahrseiten wurden noch ein Pausenraum und ein WC abgebrochen und andernorts neu aufgebaut. Wie auch in Latschau fügen sich die beiden Aufzüge harmonisch ins architektonische Gesamtgefüge.