Direkt zum Inhalt

Projektübersicht

10EUB Jennerbahn

Berchtesgaden

JENNERBAHN BERCHTESGADEN

Echte Kenner für den Jenner

Die unberührte Natur und ein fantastischer Ausblick auf den Königssee machen den Jenner bei Berchtesgaden zur Touristenattraktion. Doch genau das bedeutete beim Neubau der Seilbahnen eine große Herausforderung: Einsprüche von Naturschützern und strenge Auflagen erforderten Durchhaltevermögen, Know-how und zusätzliche Investitionen.

„Echte Kenner fahren zum Jenner“, lautet ein bekannter Werbespruch für das recht anspruchsvolle Skigebiet. Nach der Erneuerung des gesamten Gebiets lässt sich sagen: Der Jenner braucht echte Kenner. Sie führten die Erneuerung der Seilbahnen mit viel Geschick zum Erfolg.

Ausgangssituation

Mit einer Million Besucherinnen und Besucher pro Jahr gehört der Königssee zu den größten Touristenattraktionen Deutschlands. Die Talstation der Jennerbahn liegt idyllisch fast am Ufer. Seit 1953 führte eine 2er-Kabinenbahn in zwei Sektionen zur Mittelstation auf 1200 Meter Seehöhe und von dort zur Bergstation auf 1800 Meter. Die Förderleistung von 500 Personen pro Stunde reichte bei weitem nicht aus: Im Sommer wie im Winter bildeten sich lange Schlangen an der Talstation.

Drei Sessellifte ergänzten das Angebot in dem teils steilen und anspruchsvollen Skigebiet: Die Mitterkaserbahn, eine 2er-Sesselbahn aus dem Jahr 1980, die Krautkaserbahn (Baujahr 2013) und die Jennerwiesenbahn (Baujahr 1986).

Raus aus dem Dornröschenschlaf

„Obwohl Berchtesgaden so eine lange touristische Geschichte hat, lag das ganze Gebiet im Dornröschenschlaf“, erinnert sich Seilbahnplaner Stephan Salzmann. Doch trotz der Lage am Königssee kam lange kein Prinz, um es wachzuküssen.

Der Pongauer Tourismusunternehmer Peter Hettegger erkannte das Potenzial in dem Gebiet, das sowohl im Sommer wie auch im Winter höchst attraktiv ist und entschied sich, zu investieren. 2010 errichtete Hetteggers Familienunternehmen in Berchtesgaden zunächst das 4-Stern-Superior-Hotel Edelweiss. Heimische Hotelbetreiber zogen nach, Zahl und Qualität der Betten stiegen. In der Folge übernahm Hettegger gemeinsam mit Projektentwickler Martin Harlander und Bauunternehmer Georg Hinterleitner auch die Geschicke der Bergbahnen.

Natur schützen und genießen

2015 begann die Planung für eine Erneuerung der Anlagen. Die AEP Planung und Beratung GmbH aus Schwaz erarbeitete die Pläne für Pistenanpassung, Baustraße und die technische Beschneiung. Salzmann Ingenieure aus Bregenz übernahm die Planung der Seilbahnen. Die besondere Schwierigkeit: Das Ski- und Wandergebiet ragt wie ein Keil mitten ins Naturschutzgebiet.

Wie konnte da eine deutliche Erhöhung der Besucherzahlen gelingen? Salzmann Ingenieure behielt beim Neubau der beiden Teilstrecken der Jennerbahn sowie bei der Mitterkaserbahn die bestehende Trassenführung bei. Damit trugen die Planer einem dringenden Wunsch der Naturschutzorganisationen Rechnung. Die Jennerwiesenbahn projektierten sie so, dass sie den flacheren Pistenbereich nahe der Mittelstation optimal nutzt und ein gutes Angebot für Anfänger und Familien schafft. Die neuen, deutlich größeren Stationsgebäude wurden teils direkt in den Hang gebaut und so optimal in die eindrückliche Landschaft integriert. Für die Architektur war das Büro Harlander verantwortlich.

Vielfältige Nutzungen

Die neue Jennerbahn transportiert heute 1600 Personen pro Stunde auf den Berg, mehr als dreimal so viel wie zuvor. Ihre Kabinen fassen zehn Personen und bieten genügend Platz für Kinderwagen, Fahrräder und Rollstühle. Mit einem speziellen Fahrzeug können auch Flugdrachen transportiert werden.

Für die Garagierung der Fahrzeuge fand Salzmann Ingenieure gemeinsam mit Leitner Ropeways eine Lösung, die im Betrieb große Flexibilität erlaubt: Sie erfolgt platzsparend und landschaftsschonend in einer Kombination aus Kellerbahnhof und Stationsgaragierung in der Mittelstation. In der Talstation ist ebenfalls eine Stationsgaragierung für die Hälfte der Fahrzeuge der ersten Teilstrecke untergebracht. Die Teilstrecken können jeweils getrennt in und außer Betrieb genommen werden. In der großzügigen, architektonisch außergewöhnlichen Talstation sind auch Büro, Skidepot, Kassa und Shop untergebracht.

In der neuen Bergstation befindet sich ein 250 Plätze fassendes Restaurant. Auf der imposanten Aussichtsterrasse finden nochmals 450 Gäste Platz. Seminarräume eignen sich für Workshops von Unternehmen, ein Trauungssaal macht den Jenner zur idealen Hochzeitslocation. Hier kam das Know-how der Eigentümer in Tourismus, Gastronomie und Architektur besonders zur Geltung.

Anstelle der beiden alten 2er-Sesselbahnen entstanden moderne, kuppelbare 6er-Sesselbahnen. Die Jennerwiesenbahn bietet mit Wetterschutzhauben und Kindersicherung viel Komfort. Sie wird von vielen Familien genützt. Die Mitterkaserbahn für die sportlicheren Skifahrer ist etwas einfacher gehalten. „Wir haben bei der Seilbahntechnik Kosten und Nutzen genau abgewogen“, schildert Seilbahnplaner Stephan Salzmann.

Scharfer Gegenwind

Wind ist ein Feind aller Seilbahnen, und am Jenner war der Gegenwind besonders scharf. Der deutsche BUND Naturschutz deckte das Projekt nicht nur bis zur Genehmigung, sondern auch während der gesamten Bauzeit mit Klagen und Einsprüchen ein. So durfte die Baustraße im Frühjahr wegen des Brut- und Balzverhaltens einiger Vogelarten in bestimmten Bereichen nicht genutzt werden. Auch zu gewissen Tageszeiten mussten die Arbeiten ruhen.

„Die Bauphase war sehr schwierig. Wir durften ausgerechnet in der besten Zeit nicht bauen“, erinnert sich Unternehmer Peter Hettegger. Betroffen war vor allem der Bau der Stationen. Stephan Salzmann: „Wir mussten einige Arbeiten in den Winter verlegen. Für das Bauunternehmen war das eine enorme Herausforderung.“

Das gesamte Projekt verzögerte sich letztlich um ein Jahr. Die erste Teilstrecke der Jennerbahn konnte im August 2018 nach 14 Monaten Bauzeit eröffnet werden. Im Juni 2019 wurde auch die zweite Teilstrecke fertiggestellt. Die Erneuerung der beiden Sesselbahnen Jennerwiesen und Mitterkaser erfolgte zu Beginn der Wintersaisonen 2018/19 beziehungsweise 2019/20.

Während sich die Kosten des Gesamtprojekts – vor allem wegen der strengen Auflagen und der dadurch bedingten Verzögerungen – auf 57 Millionen Euro deutlich erhöhten, gab es bei der Seilbahntechnik eine Punktlandung. „Salzmann Ingenieure haben daran wesentlichen Anteil“, lobt Peter Hettegger. „Die Ausschreibung, die Verhandlungen mit Leitner Ropeways und die gesamte Abwicklung beim Bau waren sehr positiv. Da lief alles reibungslos.“

Potenzial des Gebiets voll nutzen

Die ersten Saisonen 2018 und 2019 zeigen: Das Konzept geht auf. Die Besucherzahlen stiegen im Sommer vor Beginn der Pandemie um rund die Hälfte auf 250.000 Personen. Im Winter erhöhte sich die Zahl der Besucher von 70.000 auf 100.000.

Auch in den vergangenen zwei, von der Pandemie geprägten Jahren bewährten sich die erhöhten Kapazitäten. „Alles ist sehr großzügig. Selbst als wir unsere 10er-Gondeln nur mit jeweils drei Personen besetzen durften, hatten wir kaum Wartezeiten“, berichtet Vorstand Thomas Hettegger, der das Unternehmen heute leitet.

Auch die Extras wie die Seminarräume und der Trauungssaal kommen gut an: Bereits im ersten Sommer fanden dort 60 Trauungen statt. Für Firmenevents gibt es viele Anfragen. Für die Zeit nach der Pandemie, wenn die Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt zurückkehren werden, ist Thomas Hettegger zuversichtlich: „Die Rückmeldungen der Besucher sind zu 99,9 Prozent positiv. Ich freue mich, wenn wir unser Potenzial endlich voll ausschöpfen können – hoffentlich bereits in diesem Sommer.“

Anlagedaten

Antrieb und Spannung
Berg
Anzahl Stützen
19
Bahnsystem
Einseilumlaufbahn
Bauzeit
2018
Fahrgeschwindigkeit
6 m/s
Fahrstrecke gesamt
1720
Förderleistung
1600 P/h
Förderseil
50 mm
Anzahl Fahrzeuge
33
Höhenunterschied
556 m
Horizontale Länge
1720
Spannung
Tal

„Die Ausschreibungen, die Verhandlungen mit Leitner Ropeways und die Abwicklung am Bau – das lief alles reibungslos.“

Projekte